Der Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland muss robuster werden. Ein Weiter-so machen weder die Grünen noch die EU-Partner mit.
Aus Raider wird Twix, sonst ändert sich nix. Und auf Angela Merkel folgt Olaf Scholz, aber die Außenpolitik bleibt, wie sie ist?
Man kann verstehen, warum der neue Kanzler da Kontinuität verspricht, in auffallendem Gegensatz zur Innenpolitik. Man möchte aber zugleich hoffen, dass er das nicht ernst meint.
Klar doch, Merkel ist die beliebteste Politikerin. Das verdankt sie auch dem verbreiteten Gefühl, dass sie das Land alles in allem gut durch die Abfolge von Krisen und Kriegen in ihren 16 Jahren Amtszeit geführt hat. Deshalb ist die Versuchung für den Neuen groß, ein Weiter-so zu versprechen, um diesen Teil ihrer Popularität auf sich zu lenken.
Kontinuität passt jedoch schlecht in die sich rapide wandelnde internationale Lage. Der wahre Härtetest für Scholz wartet trotz Corona und Reformstau nicht im Innern, sondern außerhalb Deutschlands und Europas.
Putin testet, wie Moskau-freundlich ein SPD-Kanzler agiert
Es ist zugleich ein Test potenzieller Bruchstellen in seiner Koalition. Die künftige Außenministerin Annalena Baerbock fordert ausdrücklich eine Neuausrichtung der Politik gegenüber autoritären Staaten wie China und Russland.
In den Tagen um die Vereidigung der neuen Regierung prüft Wladimir Putin mit einem Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine, wie geschlossen der Westen handelt. Das Timing ist kein Zufall. Ganz ähnlich hat Putin im Frühjahr gehandelt, um zu sehen, wie der neue US-Präsident Joe Biden reagiert.
Nun testet er, ob ein Kanzler aus den Reihen der traditionell Moskau-freundlicheren SPD die harte Linie aufweicht, die Biden und die Grünen favorisieren. Baerbock will die Betriebsgenehmigung für die Gas-Pipeline Nord Stream 2 stoppen. Biden droht mit Russlands Ausschluss vom internationalen Zahlungsverkehr.
Boykottiert Scholz die Olympischen Spiele in China?
Bei China wird Scholz sich ebenfalls bald entscheiden müssen. Trägt Deutschland den diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele mit? Drängt er deutsche Konzerne, Investitionen vom Umgang mit Menschenrechten abhängig zu machen?
Wie weit geht er in Absprache mit den USA und den Demokratien in Asien, um Taiwan vor Pekings Zugriff zu schützen? Auch die Atomgespräche mit dem Iran verlangen ihm bald Festlegungen ab, schon wegen der Mitverantwortung für Israels Sicherheit.
Die Frage nach der künftigen Außenpolitik führt mitten hinein in ein Paradox der 16 Jahre Merkel. Die weitgehende Zustimmung zu ihrer Außenpolitik, die bis an die Grenze der Wertevergessenheit auf Dialog setzte, kontrastiert auffallend mit einer eher ruhmlosen Bilanz der Ergebnisse. In der ersten Hälfte ihrer Amtszeit konnte sie noch mit erfolgreichem Krisenmanagement glänzen.
Das Merkel-Paradox: Zustimmung trotz magerer Bilanz
In der zweiten Hälfte von 2014 an ging es bergab. Putin griff die Ukraine an und ließ im Ausland Dissidenten ermorden, auch in Berlin. China beendete die langsame Öffnung für westliche Werte und Regeln; Präsident Xi agiert nach innen diktatorischer und nach außen aggressiver.
[Jeden Donnerstag die wichtigsten Entwicklungen aus Amerika direkt ins Postfach – mit dem Newsletter „Washington Weekly“ unserer USA-Korrespondentin Juliane Schäuble. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung]Die EU verlor Großbritannien im Brexit, erlitt Euro- und Migrationskrisen, von denen sie sich bis heute nicht erholt hat, und kann Grundwerte wie den Rechtsstaat nicht durchsetzen. Vier Jahre Donald Trump zeigten, dass auf die USA nur noch bedingt Verlass ist.
Die Klimakrise verschärft sich, weil Europa keine Mittel findet, um die größten Emissionssünder, voran China, zur Reduzierung zu bewegen. Die Welthandelsordnung zerbricht allmählich.
Die Außenpolitik diktiert, wie viel Zeit für Innenpolitik bleibt
Die Veränderungen zum Schlechteren sind nicht Merkels Schuld. Aber hat sie so erfolgreich auf die neue Lage reagiert, dass nun Kontinuität die Devise ist? Merkels Dialog mit Russland und China war richtig, um den Schaden zu begrenzen. Aber er reicht nicht als Zukunftsstrategie für eine konfliktreiche Welt.
Die sieben Jahre seit 2014 haben gelehrt: Deutschland und Europa müssen robuster auftreten, um ihre Interessen zu verteidigen. Das erwarten auch die EU-Partner und die USA von Scholz. Je früher er einkalkuliert, dass seine Regierung an einer Vernachlässigung der Außenpolitik scheitern kann, desto mehr Freiraum bleibt ihm für eine erfolgreiche Innenpolitik.