Pflicht und Chance

Den Geflüchteten aus der Ukraine gemeinsam zu helfen, ist ein Gebot der Mitmenschlichkeit. Und auch im Sinne der EU.

Es ist eine tragische, aber auch kuriose Wendung der Geschichte, dass nun ausgerechnet Polen die Hauptlast der europäischen Flüchtlingspolitik schultert. Seit Jahren weigert sich Warschau, Flüchtlinge aufzunehmen, und blockiert so gemeinsam mit Ungarn alle Versuche, in der EU zu einem einheitlichen Vorgehen in Fragen der Migration zu finden. Nun sind seit Kriegsbeginn bereits mehr als 200 000 Menschen aus der Ukraine geflohen, die meisten nach Polen – und sie werden dort, unter Regie der Regierung, mit offenen Armen empfangen. Doppelmoral? Davon zu sprechen, brächte Europa nicht weiter.

Natürlich fällt es den Polen leichter, Solidarität mit den Nachbarn aus der Ukraine zu zeigen als mit Menschen aus Nahost oder Afrika. Die anderen Europäer, auch die Deutschen, sollten das anerkennen und dazu nutzen, gemeinsame Wege zu finden. Im Gremium der EU-Innenminister wurde den Polen und den anderen betroffenen Staaten großzügige Hilfe angeboten. Man kann nur hoffen, dass die polnische Regierung dieses Angebot wirklich annimmt. Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen als gemeinsame Sache: Es wäre nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, sondern auch ein Zeichen an den Kriegsherrn Putin.

Flüchtlingsströme werden für Putin ein Mittel bleiben, um die EU zu destabilisieren. Sein belarussischer Helfer Lukaschenko begann im Sommer vergangenen Jahres mit russischer Hilfe, Migranten ins Land zu locken und an die EU-Außengrenzen zu schicken. Von “hybrider Kriegführung” sprach die EU, es wirkt wie ein Vorspiel zum echten Krieg in der Ukraine. Mit rabiaten, teils illegalen Mitteln drängt Polen bis heute an der belarussischen Grenze die Menschen aus Irak, Syrien oder Afghanistan zurück. Europäische Hilfe lehnt die Regierung ab, sie inszeniert sich als Hüterin europäischer Werte. Doch auch Härte zu zeigen, muss eine gemeinsame europäische Aufgabe werden. Aber mit europäischen Regeln.

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