Was die EU gerade mit Litauen macht, spielt Putin in die Hände

Die EU läuft Gefahr, Litauen im Konflikt mit Russland alleine zu lassen. Das spielt dem Kreml in die Hände – der nur auf Risse in der europäischen Haltung wartet.

Im Streit um den Transit sanktionierter Güter in die russische Enklave Kaliningrad stellt sich Brüssel bis heute nicht klar hinter das EU-Mitglied Litauen. Über die offensichtliche Verärgerung im Baltikum wegen der fehlenden Unterstützung hinaus schadet sich die EU mit diesem Verhalten vor allem selbst.

Litauen erklärte Mitte Juni, man werde sanktionierte Waren wie Stahl und Metallprodukte nicht mehr über litauischen Boden nach Kaliningrad lassen. Dabei beruft sich die Regierung auf das vierte EU-Sanktionspaket. Am vergangenen Sonntag folgte dann die Ausweitung, basierend auf demselben Dokument, unter anderem auf den Transport von Alkohol und Zement. Moskau bezeichnet die Beschränkungen als „illegal“ und beruft sich auf das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Russland von 1994.

Um die Situation zu entschärfen, kündigte die EU-Kommission schon vor Wochen an, vor der Erweiterung an diesem Stichtag eine Klarstellung zu veröffentlichen. Doch die lässt noch immer auf sich warten. Das auf katastrophale Arbeitsabläufe innerhalb der Kommission zurückzuführen wäre noch der freundlichste Schluss. Eine leider auch naheliegende Deutung der fehlenden Unterstützung für die eigenen Mitgliedstaaten wäre eine zu große Nachgiebigkeit der EU – und speziell auch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz – gegenüber Moskau.

Eine „Blockade“ Kaliningrads gibt es nicht

Indem die EU sich nicht klar hinter Litauen stellt, läuft sie erstens Gefahr, ihre Mitglieder im Baltikum und Osteuropa zu verärgern, die schon seit Langem mahnen, keine Zugeständnisse an Russlands Staatschef Wladimir Putin zu machen. Der Nato-Gipfel in Madrid machte zuletzt wieder deutlich, welche politische und militärische Bedeutung diesen Staaten langfristig für die Sicherheit innerhalb Europas und der Welt zukommt. Sie in der jetzigen Situation vor den Kopf zu stoßen ist ein schwerer Fehler.

Zweitens läuft die EU Gefahr, in der Außenwahrnehmung das Kreml-Narrativ von einer beginnenden „Blockade“ Kaliningrads durch Litauen zu bedienen. Eine Blockade gibt es aber de facto nicht: Russland kann die sanktionierten Güter noch immer auf dem Seeweg liefern, Lebensmittel und Medikamente fallen wie viele andere Güter ohnehin nicht unter die Sperre.

Kaliningrads Gouverneur Anton Alichanow rief Touristen jüngst sogar dazu auf, die Exklave trotz der Sanktionen zu besuchen. „Alles ist in Ordnung“, versicherte er.

Drittens, und das ist besonders bitter, spielen die Risse innerhalb der EU, die hier so deutlich werden, Putin in die Hände. Dem Kremlchef liegt viel an einer schwachen EU und einer uneinigen Nato. Die Hoffnung, Putin habe beide Organisationen mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine näher zusammengebracht, gerät spätestens ins Wanken, wenn kleinere Staaten sich im Zweifelsfall nicht auf die EU verlassen können.

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