Eine unabhängige Zentralbank darf sich nicht anmaßen, Politik in Feldern zu betreiben, die zum Terrain gewählter Politiker gehören. Mit ihrer neuen Strategie begibt sich die EZB in Gefahr, ihr Mandat zu überdehnen.
Die Europäische Zentralbank hat ein seit ihrer Gründung unverändertes Mandat, das als vorrangiges Ziel die Sicherung der Preisstabilität festschreibt. Zudem soll sie, sofern dies nicht in Konflikt mit ihrem vorrangigen Ziel steht, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Europäischen Union unterstützen, um die im Vertrag über die EU festgelegten Ziele zu erreichen. Zu diesen Zielen zählt die Union unter anderem eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, aber auch ein hohes Maß an Umweltschutz, die Förderung des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts sowie die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung.
Die Grundlagen ihrer Geldpolitik definiert die EZB, wie auch andere Zentralbanken, im Rahmen einer Strategie, die nun nach 18 Jahren wieder einmal überprüft und in Teilen verändert wurde. Mit diesen, zum Teil intern sehr kontrovers diskutierten Veränderungen riskiert die EZB, zu einem politischen Akteur zu werden, der die engen Grenzen übertritt, die einer von Regierungsweisungen unabhängigen Institution aus gutem Grund gesetzt werden. Die Begründung für die Unabhängigkeit der Zentralbank von gewählten Politikern bestand immer und ausschließlich in der Erfahrung, dass gewählte Politiker häufig schlechte Sachwalter der Geldwertstabilität gewesen sind. Stabiles Geld bildet aber eine Grundvoraussetzung für ein politisch und wirtschaftlich stabiles Gemeinwesen.