Klare Kante, aber keine Konfrontation

Außenministerin Baerbock und Bundeskanzler Scholz haben Deutschlands Position im Ukraine-Konflikt deutlich gemacht: Kommunikation statt Konfrontation, aber ohne dabei Russlands Verhalten schön zu reden. Richtig so.

Wir können noch miteinander reden. Das war die Botschaft von Deutschlands erster Botschafterin, Außenministerin Annalena Baerbock, heute in Moskau. Reden – nicht gegeneinander, sondern miteinander. Zweieinhalb lange Stunden. Viel länger als geplant. Aber nicht schönreden, denn Baerbock deklinierte heute unmissverständlich in Moskau, was Deutschland und die europäischen, die westlichen, auch viele der östlichen Partner im Umgang mit Moskau meinen. Bis hierhin und nicht weiter.

Wer dachte, diese Baerbock, die nicht mal zwei Monate im Amt ist, werde von Außenminister Lawrow, der 18 Jahre andere auf der Weltbühne hat kommen und wieder gehen sehen, vorgeführt, der irrte gewaltig. “Wir haben uns diese Situation nicht ausgesucht, können und werden ihr aber nicht aus dem Weg gehen”, sagte Baerbock so selbstbewusst wie richtig.

Wer redet, schießt nicht

Dass Europa aber genau das jahrelang beim Thema Russland machte, bis zuletzt keine Linie fand, hat Putin bis zur Stunde genutzt. Wen nimmt der Mann aus Moskau in Europa eigentlich noch ernst? Merkel hat er respektiert. Sie war im Übrigen diejenige, die auch dann redete, wenn alle und alles vor die Wand des Schweigens gefahren war. “Wandel durch Annäherung” hieß bei ihr: “Handeln durch Anruf”. Wer redet, schießt nicht.

Aber 100.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze sind längst kein diplomatisches Argument mehr. Oder wie Baerbock es heute unverblümt neben Lawrow aussprach: 100.000 Soldaten sind sehr schwer nicht als Drohung zu verstehen. Baerbock betonte trotzdem das Gemeinsame mit Moskau, streckte die Hand aus, verschwieg aber nicht das Trennende. Nawalny. Auftragsmord auf deutschem Boden. Bedrohte Menschenrechte in Russland. Lawrow, der demütigen kann, wenn er will, stand daneben und hörte zu.

Ungewissheit der wirksamere Hebel

Ein Dialogangebot später dann auch als erste Botschaft aus dem Kanzleramt. Aber wie Baerbock in Moskau ist auch Kanzler Olaf Scholz an der Seite des NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg in Berlin heute sehr klar: “Wir erwarten, das Russland deeskaliert. Dazu könnte eine Truppenreduzierung gehören”, sagte Scholz. Und der Kanzler bleibt bei seiner klugen Linie: Warum für Putin durchdeklinieren, was alles an Sanktionsmaßnahmen auf dem Tisch liegen könnte, wenn die Ungewissheit darüber der wirksamere Hebel ist.

Scholz hat es heute in gleich drei Variationen wiederholt. Jedwede russische Aggression hätte große Konsequenzen, sagte er. Dabei sei alles zu diskutieren. Jeder, der noch ganz bei Sinnen ist, weiß spätestens jetzt, dass dazu eben auch alles gehört. Auch die Gaspipeline Nord Stream 2.

Das von dem Ex-Kanzler eingefädelte und dem heutigen Lobbyisten Gerhard Schröder geförderte unselige Projekt liegt jetzt ebenso auf dem Tisch wie viele andere schmerzhafte Sanktionen. Gut so.

Der Antrittsbesuch Baerbocks, die klaren Worte von Scholz, beides wird Moskaus Haltung gegenüber der Ukraine sicher nicht über Nacht ändern. Falls überhaupt. Aber es hat schon schlimmere Tage im Ukraine-Konflikt gegeben. Oder wie Baerbock sagt. Es gibt keine Alternative zu stabilen Beziehungen.

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